Rechtliche Definition: Was ist rechtsmissbräuchliches Verhalten?
Rechtsmissbräuchlich sei in diesem Fall, wenn bei Vertragsschluss hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde. Das sei der Fall.
Auch wenn die Tochter des Klägers bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht über einen Auszug aus dem elterlichen Heim nachgedacht haben, hätte der Kläger bei verständiger Betrachtung den Eigenbedarf voraussehen können und müssen.
Vorsicht Vermieter! Rechtsmissbrauch bei Eigenbedarfskündigung vermeiden!
Auch bei Eigentümern einer vermieteten Immobilie kann sich mit der Zeit ein Selbstnutzungsinteresse ergeben. Mit dem Wunsch nach der Eigennutzung ergeben sich regelmäßig auch Fragen.
- Kann man eine Kündigung wegen Eigenbedarfs sicher durchsetzen?
- Welche Anforderungen stellen Gerichte an ein Kündigungsschreiben wegen Eigenbedarfs?
Wann kann der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen?
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs steht dem Vermieter schon aus seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs.1 S.1 GG zu. Allerdings regelt Art.14 Abs.1 S.1 GG auch die Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
- Der Vermieter kann dem Mieter nur wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er seine Gründe anschaulich darlegt.
Eigenbedarf wegen der studierenden Tochter?
Mittlerweile hat sich der BGH schon mehrfach mit Fällen auseinandergesetzt, in denen Mieter gegen eine Eigenbedarfskündigung klagten. Im vorliegenden Fall kündigte ein Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag mit der Begründung, dass seine 20 Jahre alte Tochter, die nach ihrem Abitur 2012 ein Jahr in Australien verbracht habe, im Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren werde. Der Vermieter argumentierte, dass seine Tochter die Wohnung für ihre Arbeitsstelle und das berufsbegleitende Studium benötige.
- Die Mieterin widersprach der Kündigung, weil der Eigenbedarf für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar gewesen sei (BGH VIII ZR 154/14).
Wann ist die Kündigung rechtsmissbräuchlich?
Die Kündigung ist rechtsmissbräuchlich, wenn…
- der Kündigungsgrund zum Zeitpunkt der Kündigung nicht besteht
- der Kündigungsgrund während der Kündigungsfrist entfallen ist und dies dem Mieter nicht mitgeteilt worden ist
- der Kündigungsgrund bereits bei Abschluss des Mietvertrages vorliegt und der Mieter nicht darüber informiert wurde
Auch in unserem Fall von 2015 entschied der BGH:
Der Vermieter hätte den Mieter über seine Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer aufklären müssen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sei gegeben. Schon bei Vertragsschluss sei abzusehen gewesen, dass das Mietverhältnis nur von kurzer Dauer sein werde.
- Auch wenn die Tochter des Klägers bei Abschluss des Mietvertrags noch nicht über einen Auszug aus dem elterlichen Heim nachgedacht habe, hätte der Kläger den Eigenbedarf voraussehen können und müssen (BGH VIII ZR 154/14).
Wie vorausschauend muss der Vermieter bei einem Selbstnutzungsinteresse planen?
Natürlich kann der Vermieter nicht immer absehen, ob er in der Zukunft ein Selbstnutzungsinteresse haben wird. Ein Rechtsmissbrauch liegt nicht vor, wenn zwar ein zukünftiger Eigenbedarf bei Vertragsschluss erkennbar ist, aber
- der Vermieter bei Vertragsschluss zu einer Kündigung wegen Eigenbedarfs nicht entschlossen war und sie nicht ernsthaft in Betracht gezogen hat
Der BGH hat auch in einem Urteil von 2018 nochmals betont, wie wichtig eine Gesamtwürdigung der Umstände ist und dass Gerichte die Begründung einer Eigenbedarfskündigung umfassend zu prüfen haben (BGH VIII ZR 61/18).