Zum Fall:
Die bulgarische Pflegerin war als 24 Stundenhilfe für eine bulgarische Vermittlungsfirma in Deutschland tätig. Die Klägerin hatte nach eigenen Angaben im Jahr 2015 pro Monat 950 Euro netto ausgezahlt bekommen. Sie schilderte, dass sie über Monate 7 Tage die Woche 24 Stunden für eine 90-Jährige zur Verfügung gestanden habe. Auch in der Nacht habe sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer offengelassen, um für die Seniorin da zu sein. In dem Arbeitsvertrag der Klägerin waren 30 Wochenstunden mit freien Wochenenden festgelegt worden. Für die sieben Monate, in denen sie als 24 Stunden Pflegerin im Einsatz war, verlangte sie vor Gericht 43.000 Euro brutto, abzüglich der bereits gezahlten knapp 7.000 Euro netto.
Die Vermittlungsfirma entgegnete, dass sie der Klägerin den Mindestlohn nur für die vertraglich vereinbarten 30 Stunden schulden würde. Die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten hätte die Pflegekraft auch in dieser Zeit erledigen können. Sollte die Klägerin tatsächlich mehr gearbeitet haben, sei dies nicht auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt (BAG 24.06.2021 – 5 AZR 505/20).
Wie hoch ist der Mindestlohn?
Seit dem 01. Januar 2021 beläuft sich der Mindestlohn auf 9,50 Euro brutto die Stunde.
Leisten 24 Stunden Pfleger Bereitschaftsdienst?
Ja! Das Gericht betonte, dass eine Pflegekraft, die im Haus der pflegebedürftigen Person lebt, auch bis zu 24 Stunden Bereitschaftsdienst leistet.
- Wenn eine Pflegekraft dazu verpflichtet ist, zu allen Tages- und Nachtzeiten bei Bedarf Tätigkeiten zu verrichten, leistet sie Bereitschaftsdienst.
- Auch der Bereitschaftsdienst muss mit dem Mindestlohn vergütet werden.
Der Fall wurde anschließend an das LAG Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Das Gericht soll nun ermitteln, wie viele Stunden die Klägerin Bereitschaftsdienst und Vollarbeit geleistet hat. Zudem muss geprüft werden, wie viele Stunden Freizeit der Pflegerin tatsächlich eingeräumt wurden (BAG 24.06.2021 – 5 AZR 505/20).
Wann liegt ein einheitlicher Verhinderungsfall vor?
Von einem einheitlichen Verhinderungsfall ist auszugehen, wenn…
- die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder
- zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.
Ein einheitlicher Verhinderungsfall liegt demnach nicht vor, wenn ein deutlicher zeitlicher Puffer zwischen den verschiedenen Erkrankungen liegt (BAG 11.12.2019 – 5 AZR 505/18).
Kann der Arbeitnehmer die Vermutung widerlegen?
Ja! Der Arbeitnehmer kann die Vermutung eines einheitlichen Verhinderungsfalls widerlegen, wenn er entsprechende Beweise vorlegen kann.
- Im vorliegenden Fall wurde ein einheitlicher Verhinderungsfall angenommen, da die gynäkologische Krankschreibung schon am letzten Tag der auf einer psychischen Erkrankung beruhenden Arbeitsunfähigkeit ausgestellt wurde.
- Die Krankenpflegerin hätte die Vermutung widerlegen können.
- Hierfür hätte sie beweisen müssen, dass die psychische Erkrankung schon an dem Tag der gynäkologischen Krankschreibung geendet hat (BAG 11.12.2019 – 5 AZR 505/18).